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Zürich ist schrecklich sauber – wir fühlen uns mitschuldig.

Die «Neue Zürcher Zeitung» von heute findet Zürich «eine schrecklich saubere Stadt». Es herrsche ein Putzfimmel. Zu diesem tragischen Zustand hat Heads beigetragen.

«Egal ob Abfall auf der Strasse oder Schmierereien an Hauswänden: Alles wird sofort entfernt. Das wäre angenehm, wenn die Stadt es bloss nicht so übertreiben würde.» So ein Kommentar der heutigen NZZ. Zürichs Beziehung zur Sauberkeit sei legendär: «Bereits James Joyce fiel die Eigenart auf. Der berühmte irische Dichter und Verfasser des monumentalen Werks ‹Ulysses›, der während des Ersten Weltkriegs in der Schweiz Zuflucht fand, soll während seiner Zürcher Jahre über die Bahnhofstrasse erzählt haben, sie sei so sauber, dass man eine Minestrone vom Boden essen könne.» Joyce’ Worte seien den Zürcher Stadtoberen offensichtlich bis heute Ansporn. Mehr noch: Beschränkte sich der Ruf der Reinlichkeit einst auf einige Prachtstrassen, so hätten die Behörden es inzwischen geschafft, der Sauberkeit im ganzen Stadtgebiet Geltung zu verschaffen. Die NZZ fragt sich bei so viel Pingeligkeit, «ob den Verantwortlichen der Stadt etwas zu viel Reinigungsmittel in den Kopf gestiegen ist».

Wir fühlen uns mitschuldig, denn wir haben mitgeholfen, dass der Sauberkeitsfimmel nicht nur bei den Behörden, sondern in der ganzen Bevölkerung wuchert. Vor fünf Jahren erhielten wir den Auftrag, für die Stadt Zürich eine Marke in der Art von «Fix my street» zu schaffen. «Fix my street» hiess die Initiative, die in Städten wie Montreal, Toronto, Manchester oder Dublin sicherstellte, dass die Bevölkerung die Stadtwerke rasch auf Mängel in ihren Strassen hinweisen konnte. Nun wäre ein Name wie «Fix my street» für das schon sehr gut funktionierende Zürich natürlich Unsinn gewesen: «If it ain’t broke, don’t fix it.» So fanden wir für den Zürcher Mängelmelder einen passenderen Namen: «Züri wie neu». Mit einer Plakatkampagne machten wir auf die Initiative aufmerksam. Die Stadt erhielt schon in den ersten drei Wochen 92 Hinweise der Bevölkerung, wo Zürich noch mehr herausgeputzt werden sollte. Bis heute gingen insgesamt 12’676 Hinweise ein, also über fünf Jahre rund 50 Meldungen pro Woche, die von der Stadt verfolgt und wo immer möglich die Reparatur- und Putzteams in Bewegung gesetzt werden. Die Behörden entsprechen also einem breit abgestützten Sauberkeitsfimmel und haben nicht, wie die NZZ vermutet, zu viel Reinigungsmittel geschnuppert. Der NZZ-Leser Christian Weiss zitiert auf der Facebook-Seite der NZZ dann auch treffend die Neu- und Wahlzürcherin Sybille Berg: «Ich brauche nicht in Hundescheisse zu treten, um mich in einer Stadt wohl zu fühlen.» Und der Leser Hajo Hiernich aus Deutschland meint trocken: «Wer es in Zürich übertrieben sauber findet, dem empfehle ich eine Woche über Silvester in Berlin.»

— Ralph Hermann / 14.3.2018