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«Angst stärkt uns, aber wir müssen ihr als Führungskraft begegnen.»

«Talking Heads» im Rahmen der Perikom Good-Practice-Reihe.

«Angst – Bremse der digitalen Transformation» – zu diesem Thema lud Heads am 23. Oktober in den Vortragssaal des Landesmuseum-Neubaus. Das Thema traf offenbar den Nerv der Zeit – über 70 Gäste folgten der Einladung. Der erste Referent, der renommierte Arbeitsmediziner Dr. Dieter Kissling, brachte es gleich auf den Punkt: «Angst stärkt uns, aber wir müssen ihr als Führungskraft begegnen.» Tun wir dies nicht, setze Angst physiologische Prozesse in Gang, denen man sich nicht verschliessen könne. Diese beschränken sich nicht auf die bekannten Stressauswirkungen wie Schlafstörungen oder Reizbarkeit, sondern blockieren das kognitive Denken des Frontalhirns. Dadurch erfolgen Konzentrationsstörungen und das Urteilvermögen wird beeinträchtigt. Man wird nervös, apathisch, zynisch oder sarkastisch und fehleranfällig. Führungskräfte, welche die digitale Transformation verantworten, seien noch stärker als früher gefordert, Wertschätzung und Dank zu vermitteln, Vorbild zu sein, zu begeistern, intellektuell zu stimulieren, präsent zu sein und individualisiert zu beurteilen. «Die Zeiten sind anspruchsvoller», so ist der Arbeitsmediziner überzeugt. «Früher gab es noch klare Strukturen und die Selbstwirksamkeit war spürbar, denn man hatte quantifizierbare Dinge zu erledigen. Wie viele Tage im Jahr geht man am Abend nach Hause und fragt sich: ‹Was habe ich eigentlich heute gemacht?›» Gefragt seien die Führungskräfte, aber auch die Mitarbeitenden selbst. Um Stress zu bewältigen, solle man sich genug bewegen, gezielt Entspannungsmethoden nutzen, Pausen einlegen und genug Schlafen. Der Schlaf, so Kissling, sei ein Geschenk und 90 Prozent der Menschen würden nun mal täglich sieben bis acht Stunden davon benötigen. Darüber hinaus tue man gut daran, im Berufsalltag nicht zu hohe Erwartungen an sich selbst zu setzen und nicht Dinge ändern zu wollen, die nicht zu ändern sind.

Daniel Hünebeck, früherer UBS-Digitalchef, schilderte die Rahmenbedingungen der digitalen Transformation, die durchaus Unsicherheiten auslösen können und auch nicht ganz zu verhindern seien: Bei der UBS hätten interne Bewerber abgelehnt werden müssen, weil nicht Bankenwissen, sondern einzig digitales Fachwissen zählte. Mitarbeitende hätten erleben müssen, dass bisheriges Vorgehen plötzlich wirkungslos wurde. Und Ideen wurden vom Digitalteam gnadenlos abgelehnt, wenn sie digital nicht Sinn machten. Um der Unsicherheit und Angst zu begegnen, sei intensive Kommunikation notwendig. Und dies nicht in Form von einmaliger Schulung, sondern mit regelmässiger und intensiver Information. Hünebeck: «Wir haben immer versucht, alle Beteiligten einzuladen und zu informieren. So waren die von Veränderung Betroffenen grundsätzlich sehr offen. Und wenn uns die Ergebnisse recht gaben, fassten die Mitarbeitenden Vertrauen und brachten gute Ideen ein. Es ist entscheidend, Vertrauen zu schaffen.»

Die dritte Referentin Corinne Pellerin, Chief Commercial Officer ewz, ist überzeugt, dass Veränderung dann am besten funktioniert, wenn alle von Beginn weg involviert sind. Der technische Wandel mache in der Energiebranche viele smarte Lösungen möglich. Dies verlange aber auch, dass Chancen rasch gepackt und in wertschöpfende Produkte übersetzt würden. Ihr Unternehmen müsse mit der rasanten Entwicklung mithalten und dies mit beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen. Für die Beschleunigung der Veränderung setzt Corinne Pellerin deshalb nicht auf eine digitale «Schnellboot-Abteilung», sondern auf einen Weg, der alle Mitarbeitenden mitnimmt. Corinne Pellerin: «Wenn man wirklich Transformation schaffen will, bin ich der festen Überzeugung, dass man Menschen nicht abhängen darf, sondern dass sie alle ein Teil des Prozesses sind und die Veränderung erleben und mitgestalten sollen.» So werden in ihrem Geschäftsbereich quartalsweise Veränderungsziele definiert. Diese werden intern als Aufruf kommuniziert und die Mitarbeitenden aufgefordert, dazu Initiativen einzureichen. Dabei sollen auch bereichsübergreifend zu jedem Veränderungsziel Vorschläge eingereicht werden. Die eingereichten Initiativen werden dann priorisiert. Pellerin: «Wichtig ist dabei auch, eine Verzichtsplanung zu machen und klar zu kommunizieren, was man nicht oder noch nicht machen will.» Für jede Initiative würden dann Akzeptanzkriterien definiert, die der Umsetzungsverantwortliche als Zielerreichung unterschreibe. Bis zur Umsetzung sei der Prozess zwar agil, in der Umsetzung selbst sei es aber dem Projektleiter überlassen, die richtige Methode zur Zielerreichung zu wählen. Nach einem Jahr hätten bereits 75 Prozent der Mitarbeitenden ihres Bereiches Initiativen angeregt. Und 25 Prozent der Vorhaben seien bereichsübergreifend eingereicht worden. Natürlich müsse nicht alles müsse agil werden, relativiert Corinne Pellerin, aber das Potenzial des agilen Vorgehens sei gross. Man lerne, durch Iteration besser zu werden und dies führe zu tragfähigeren Lösungen. Wenn Mitarbeitende sich in diesem Rahmen entwickeln können, sei es auch leichter, Talente zu gewinnen und sie im Unternehmen zu halten. Entscheidend sei, dass das Management die Vorgehensweise nicht nur verstehe, sondern sie exemplarisch vorlebe und sehr viel kommuniziere. Besonders beachten müsse man überdies, nicht möglichst viele Projekte anzureissen, sondern lieber wenige, um diese ins Ziel zu führen, bevor man wieder Neues beginne. Dies reduziere nicht nur Stress, sondern schaffe auch die Möglichkeit, den erzielten Erfolg bewusst zu erleben. Deshalb laute das interne Kredo: «Stop starting, start finishing».

— Ralph Hermann / 30.10.2018