Corporate Culture

Leitbilder befeuern

Kennen Sie die Mission Ihres Unternehmens aus dem Stegreif? Nein? Sie müssen sich dafür nicht schämen. Die Schuld liegt ganz bei Ihrem Leitbild. Ein Leitbild muss so verfasst sein, dass Sie es nicht verinnerlichen müssen, sondern unbedingt verinnerlichen wollen. «Die Wirkung von Leitbildern hängt davon ab, ob es bei der Belegschaft Anklang findet», schrieb die NZZ in ihrer gestrigen Ausgabe. Im Artikel zitiert der Autor Sergio Aiofi unter anderem eine Studie der Mc Master Universitiy in Hamilton, Kanada mit dem Titel «A model of the impact of mission statements on firm performances.» Das Fazit der Studie: Nur wenn die Mitarbeitenden ein Gefühl für die Mission haben und die «heat of the mission» spüren, werden sie in der Lage sein, diese mit tiefgreifender Leidenschaft und hoher Entschlossenheit umzusetzen. Leidenschaft und Entschlossenheit seien zwei Zutaten, die man nicht kaufen könne. Jeder Mitarbeitende aber besitze sie und sei in der Lage, sie zu entfesseln. In der Dimension in der dies gelinge, würden Missionen von Mitarbeitenden klug umgesetzt und führe Unternehmen zur schwer erreichbaren, aber hoch wertvollen Position der «high performance organization».

In der Leitbildentwicklung erleben wir oft, wie akribisch daran gearbeitet wird, das Leitbild möglichst umfassend und unangreifbar zu formulieren. Dabei wird vergessen, dass bereits viele ungeschriebene Regeln in der Unternehmenskultur verankert sind. Müssen diese Regeln wirklich alle nochmals im Leitbild festgehalten werden? Wie in der kanadischen Studie erwähnt, leitet ein Leitbild erst, wenn es Leidenschaft und Entschlossenheit weckt – gute Mitarbeitenden sind dann schon in der Lage, den richtigen Weg zum Ziel zu finden. Gerade die im Arbeitsmarkt umkämpfte Generation Y will ja den Weg selber finden und sucht im Leitbild vor allem Motivation und Sinnstiftung. So liegt unser Augenmerk in der Ausformulierung von Leitbildern besonders darauf, bei den Mitarbeitenden in einer produktiven Weise den Puls zu erhöhen. Manchmal auch auf eher ungewöhnliche Weise. Beispielsweise ging es bei einem Unternehmen darum, den Mitarbeitenden aufzuzeigen, dass die leidenschaftliche Arbeit in Richtung der Kunden grosses bewirken kann. Dafür beendeten wir das Leitbildbooklet mit einem Gedicht von Salomon Hermann Mosenthal aus dem 19. Jahrhundert:

Leidenschaft sind schäumende Pferde,
angespannt an den rollenden Wagen:
Wenn sie entmeistert sich überschlagen,
zerren sie durch Staub und Erde.
Aber lenkest du fest die Zügel,
wird ihre Kraft dir selbst zum Flügel,
und je stärker sie reissen und schlagen,
um so herrlicher rollt dein Wagen.

— Ralph Hermann / 5.8.2016